Für und mit Familien, Kindern, Jugendlichen und Menschen mit Behinderung die Zukunft gestalten: eine der zentralen Aufgaben des Bayerischen Roten Kreuzes. Sich für sie einsetzen lautet der Auftrag, mit dem das Leben der Menschen, ihre Entwicklung, ihre Würde, ihre Gesundheit und ihre Rechte in den Fokus gerückt werden.
Als einer der führenden Verbände der Freien Wohlfahrt in Bayern schafft das BRK Angebote, die Menschen in jeder Lebensphase Hilfe und Unterstützung in Notlagen bieten, wenn sie alleine oder mit dem persönlichen Netzwerk nicht mehr weiter kommen. Mit einem besonderen Fokus auf die Gruppen Kinder, Jugendliche, Familien, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung agiert die Abteilung Soziale Arbeit der BRK-Landesleitung unter Leitung von Irene Marsfelden. Die Abteilung gliedert sich in die Kompetenzfelder Migration und Teilhabe, Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie, Jugend und Familie, Kindertageseinrichtungen, Gesundheitsmanagement/Gesundheitsprogramme und Freiwilliges Engagement. So unterstützt sie mit bedarfsgerechten Angeboten, Beratung und Know-How die Kreisverbände bei der Problemlösung vor Ort und bei der Umsetzung neuer regionaler Projekte. Die regionale Ausrichtung der Projekte ist dabei besonders effektiv:
Bei der Sozialen Arbeit ist es entscheidend für den Erfolg, Angebote zu entwickeln, die zu den Lebensentwürfen und der Lebensphase der Menschen passen, die man unterstützen will, und das kann man am besten auf der kleinsten Ebene.
Wolfgang Obermair, stv. Landesgeschäftsführer
Die aktuellen Herausforderungen der Sozialen Arbeit sind dabei vielfältig und komplex: Ein Rückgang der Mehrgenerationenfamilien hat zur Folge, dass sich die familiären Netzwerke verringern. Doch auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die gelebte Mobilität, veränderte Arbeitsbedingungen und eine kulturelle sowie linguale Diversität prägen unsere gesellschaftlichen Veränderungen: Für einen nicht zu unterschätzenden Teil unserer Bevölkerung ist die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nach wie vor eingeengt. Ein Zustand, den das BRK seinen Grundsätzen folgend und aus Liebe zum Menschen ändern will. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern wurden bereits viele Projekte ins Leben gerufen, die Menschen trotz Barrieren Teilhabe an unserer Gesellschaft ermöglichen.
Von Anfang an dabei für eine gute Entwicklung: Eltern-Kind-Angebote
Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf führt der BRK-Kreisverband Kronach das Projekt „Lebensqualität für Generationen“ (LQG) durch, eine aktive Kooperation mit der Kommune Steinbach am Wald, dem Landkreis Kronach und regionalen Unternehmen. Das Betreuungsnetzwerk bietet für alle Kooperationspartner ein kompetentes Familienmanagement, das über nahtlose Betreuungslösungen umfassend berät und diese organisiert. Durch professionelle Betreuungsstrukturen für Kleinkinder bis hin zu Menschen im hohen Alter wird berufstätigen Frauen und Männern – bis dato sind es 10.000 Mitarbeiter von 20 Firmen – die Verknüpfung von Beruf und Familie ermöglicht und so die Lebensqualität in der Region nachhaltig verbessert. Und nicht nur dort: „Neben den Kernaufgaben im Landkreis Kronach steigen die Anfragen, auch überregional zu unterstützen", berichtet Roland Beierwaltes, BRK-Kreisgeschäftsführer Kronach.
Der ganzheitliche Ansatz dieses Projektes zur Entlastung von Familien ist einzigartig und ein Musterbeispiel bei der Bündelung regionaler Kräfte. Nicht umsonst wurde das Projekt jüngst verlängert. Neben der Arbeitswelt ist auch die lokale Gemeinschaft wichtig für die Teilhabe und Integration von Familien. Das Projekt „Meine Welt ist Deine Welt“ des BRK-Kreisverbandes Südfranken will neue Strukturen vor Ort gestalten und festigen. Mit dem Motto - Weg vom „die Anderen“ hin zum „Wir gemeinsam“ – richtet sich das Angebot sowohl an Eltern in der BRK-Einrichtung Haus für Kinder „Dschungelbande“, bei denen es einen Migrations- und oder Fluchthintergrund von ca.40% gibt, als auch an die „alteingesessenen“ Solnhofer Familien. Denn „dass das Miteinander der Kulturen nur dann wirklich gelingen kann, wenn es ganz selbstverständlich im Alltag von allen getragen wird, sehen und erarbeiten wir uns hier tagtäglich“, berichtet Stefanie Dietrich-Wägemann, Leiterin der BRK-Einrichtung. Bei der gemeinsamen Arbeit an Orientierung und Hilfestellung im Alltag werden Hemmungen und Ängste abgebaut und neue Kontakte geknüpft. Das Projekt für mehr Miteinander bewegt die Menschen. So waren über 100 Bürger bei der Auftaktveranstaltung am 19.01 in Solnhofen.
Die Teilnehmer werden hier als junge Menschen mit unterschiedlichen Potenzialen und versteckten Stärken gesehen, welche erkannt und freigelegt werden müssen.
Karina Hauck, Team Soziale Arbeit im KV Haßberge
Die Weichen für eine erfolgreiche Bildung können nicht früh genug gestellt werden. Mit dem im Januar 2016 gestarteten Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ stärkt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die sprachliche Bildung, die inklusive Pädagogik sowie die Zusammenarbeit mit Familien in den Kitas.
Ein Wort, das ein Kind nicht kennt, ist ein Gedanke, den es nicht denken kann.
Dr. Wolfgang Maier, Sprachwissenschaftler
In einigen BRK-Kindertageseinrichtungen mit einem hohen sprachlichen Förderbedarf wird das Konzept der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung bereits umgesetzt. Dazu wird der Kita-Alltag mit Unterstützung von Sprachfachkräften in seiner Gesamtheit darauf ausgerichtet, den Spracherwerb anzuregen und systematisch zu fördern. Für einen nachhaltigen Effekt geben die Sprachfachkräfte in den Kitas ihre Kompetenzen an die Kita-Teams weiter, festigen die Beziehung zu den Eltern und vermitteln die Relevanz von Sprache und kooperieren mit Folgeangeboten wie Grundschulen. So erreicht man frühe sprachliche Bildung ganz ohne Stigmatisierung und mit einem besseren gegenseitigen kulturellen Verständnis.
Häufig beginnt das Ankommen in unserer Gesellschaft aber noch vor dem Erwerb sprachlicher Kompetenzen. Häufig müssen Kinder erst das Unbegreifbare bewältigen. Es geht darum, Traumata zu überwinden. Eine besondere Herausforderung, der das BRK durch die weltweiten Krisen und Flucht leider immer häufiger gegenübersteht. Das von der Röchling Stiftung finanzierte modulare Fortbildungsprogramm „(Traumatisierte) Flüchtlingskinder in der Kindertageseinrichtung“ hat das Ziel, allgemeine Grundlagen der Traumapädagogik, Bindungstheorie und der Resilienzstärkung zu vermitteln. „Kinder müssen erst einmal lernen, dass der Anblick einer Uniform kein Grund für Todesangst ist“, verdeutlicht Hermine Brenauer, Leitung des Teams Kindertageseinrichtungen beim BRK, das Ausmaß von Kriegserfahrungen bei Kindern. Erst wenn der Umgang mit dem Schrecken erlernt wird, ist ein Leben in unserer Gesellschaft vielleicht möglich. Das BRK setzt hier bei der Schulung des pädagogischen Fachpersonals an, um so vielen Kindern wie möglich eine angemessene Betreuung zu ermöglichen. Die große Chance und Hoffnung besteht darin, den Kindern ein Stück Kindheit zurückzugeben.
Bessere Bildung, bessere Chancen: Angebote für Jugendliche
Bis zu elf Teilnehmern die Möglichkeit bieten, sich zu qualifizieren und an die Arbeitswelt herangeführt zu werden, das hat sich die Produktionsschule (PSH) des BRK-Kreisverbandes Haßberge für benachteiligte Jugendliche zur Aufgabe gemacht. Gegründet 2005 als erste ihrer Art in Bayern und seit Januar 2018 mit dem Gütesiegel „Soziale und berufliche Integration“ ausgezeichnet. In den drei Qualifizierungsbereichen Änderungsschneiderei, Secondhand-Laden und Internet-Agentur erhalten die Jugendlichen nicht nur berufliche Orientierung, sondern auch ihre Ausbildungsreife, trainieren vielfältige Fertigkeiten, werden in Ausbildung und Beruf integriert und zur eigenständigen Lebensführung befähigt. Die PSH ist das einzige arbeitsweltbezogene Jugendhilfeprojekt im Landkreis, das sich gezielt an Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren richtet, die am Übergang von Schule zu Beruf stehen und die aufgrund von inhärenten Defiziten noch keine Ausbildungsreife haben.
„Die Teilnehmer werden hier als junge Menschen mit unterschiedlichen Potentialen und versteckten Stärken gesehen, welche erkannt und freigelegt werden müssen“, so Karina Hauck, Team Soziale Arbeit im KV Haßberge. Mit den neu entdeckten Potenzialen und einem Bildungsabschluss gelingt der Übergang in eine Ausbildung, ein Praktikum oder in die Berufswelt nach der ESF-Bayern (Europäischer Sozialfond) geförderten Maßnahme meistens sehr gut. Jedoch gibt es auch Fälle, bei denen die Jugendlichen wieder in alte Muster verfallen. Dann ist eine Rückkehr in die Produktionsschule durch die Richtlinien für die Förderung nicht möglich. Hier würden sich die Projektpartner mehr Flexibilität für die Förderung nicht-linearer Bildungskarrieren wünschen.
Ein Beispiel, wie erfolgreiche Schul- und berufsbezogene Jugendsozialarbeit umgesetzt werden kann, gibt der BRK-Kreisverband München mit seinem vorbildlichen Engagement an der Mittelschule Wittelsbacherstraße. Zirka 400 Schülerinnen und Schüler mit den zugehörigen Erziehungsberechtigten und Familien sowie 40 Lehrkräfte profitieren von einer kompetent geführten Schulsozialarbeit, die neben Beratungstätigkeiten und Gremienarbeit die Entwicklung zahlreicher Projekte umfasst. Ob beim Mediationsprojekt Streitschlichterausbildung, bei Projekttagen zum Thema „Konfliktmanagement in Klassen“, bei Präventionsprojekten oder bei Angeboten, wie Tanz- oder, Selbstverteidigungskursen und bei Vorbereitungskursen für den Qualifizierenden und Mittleren Schulabschluss: Der Fokus bleibt stets auf dem einzelnen Schüler mit seinen Stärken und Schwächen. Das Grundziel: Jugendliche in ihrer Entwicklung zu einer starken, sozialen, verantwortungsbewussten, zufriedenen, erfolgreichen und eigenständigen Persönlichkeit zu unterstützen.
Dies gelingt mittels kontinuierlicher Weiterentwicklung bestehender Strukturen und eines Vertrauensverhältnisses zwischen Schülerschaft und Fachkraft, das über Jahre hinweg aufgebaut wurde. Einer mobilen Einheit für Krisenbewältigung, wie derzeit für München geplant, steht Schulsozialarbeiterin Anita Huber denn auch kritisch gegenüber: Viele Problematiken erkenne ich nur dadurch, dass ich fortdauernd an der Schule bin. So begleite ich die Entwicklung der Jugendlichen über Jahre hinweg, bin mir über einen Großteil der verdeckten Seilschaften und Interaktionsmuster bewusst und erkenne so auch recht schnell, wenn eine Entwicklung in die negative Richtung geht.
Wir erzielen schon jetzt große Erfolge dabei Menschen einen besseren Zugang zu unserer Gesellschaft zu geben.
Brigitte Meyer, BRK-Vizepräsidentin
Zusammenhalt für eine Gesellschaft, in der jeder zählt: Angebote für Menschen mit Behinderung
Mehrere Selbsthilfeprojekte, die erfolgreich und gemeinnützig wirtschaften, Arbeitsplätze für Menschen mit psychischen Behinderungen schaffen und so einen wichtigen Beitrag zur sozialen und beruflichen Integration leisten, hat der BRK-Kreisverband Würzburg bereits initiiert. Eines davon ist das „Café Perspektive“. Hier wird psychisch kranken Erwachsenen, die aufgrund ihrer Behinderungen Erwerbsminderungsrente erhalten, die Möglichkeit gegeben, ihre beruflichen Fähigkeiten wieder zu erproben. So wird ihnen dabei geholfen, eine Perspektive für ihre soziale und berufliche Integration zu finden.
Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Arbeitsprojekt ,Café Perspektive‘ und ihre Freude, Teil eines großen Teams zu sein, gibt mir das Gefühl, einen wertvollen Beitrag zur Integration psychisch erkrankter Menschen zu leisten.
Sybille Pechtl, Projektleiterin
Der Erfolg gibt ihr Recht: Neben vielen Vermittlungen auf den ersten Arbeitsmarkt hat sich gezeigt, dass die Kontinuität, die die Arbeit kennzeichnet, eine wichtige Voraussetzung für Handlungssicherheit im Alltag darstellt und das Gefühl der Ebenbürtigkeit sowie Zugehörigkeit fördert. Voraussetzung hierbei ist jedoch, dass Zuverdienst-Projekte finanziell so gefördert werden, dass es ermöglicht wird, die Tätigkeiten der behinderten Mitarbeiter als Arbeit zu bewerten, sie also entsprechend einen Anspruch auf Mindestlohn haben. Des Weiteren muss der generelle Ausschluss von Hartz-IV-Empfängern aus Zuverdienst-Projekten wieder aufgehoben werden, damit psychisch kranken Langzeitarbeitslosen der Weg zurück ins Arbeitsleben nicht verwehrt bleibt.
Über den Wolken grenzenlose Freiheit erleben: Ein im wahrsten Sinne des Wortes „himmlisches" Angebot hat der BRK-Kreisverband Augsburg-Land im Rahmen der Offenen Behindertenarbeit (OBA) gemeinsam mit dem Luftsportverein Schwabmünchen e.V. entwickelt. Einmal im Jahr, am ersten Samstag im Juli, findet der „Flugtag für Menschen mit Behinderung“ am Flugplatz Schwabmünchen statt. Das Erlebnis, in einem Motor- oder Segelflugzeug über die eigene Heimat zu fliegen, wird den Menschen durch das Engagement der ca. 300 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer seit nunmehr 37 Jahren ermöglicht. Ob der Flug in einer Cessna oder die Spritztour im britischen Oldtimer-Klassiker Morgan: Seit 1981 wird in Schwabmünchen Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen in gemütlicher Atmosphäre ein besonderer Tag im Jahr geboten, an dem sie einmal ohne Gehhilfen, Rollator oder den ständigen Begleiter „Rollstuhl“ unterwegs sein können.
Für jeden hält der Flugtag seine ganz persönlichen Geschenke bereit: So gefällt blinden Teilnehmern das Brummen der Motoren und das erhabene Gefühl, das sich beim Start der Maschine und während des Fliegens einstellt, während Teilnehmer mit einer kognitiven Beeinträchtigung oft sehr stolz darauf sind, dass sie sich getraut haben mitzufliegen.
Simone Falkenstein-Ruppert, Leitung Offene Behindertenarbeit
Perspektiven
Der Bereich Pflege und Soziales repräsentiert mit den im Verband abgebildeten Diensten, Einrichtungen, Angeboten und Mitarbeiterinnen sowie Mitarbeitern das größte Arbeitsfeld des BRK. Vor dem Hintergrund der sich ändernden gesellschaftlichen, demografischen und ökonomischen Rahmenbedingungen unseres Landes muss und wird sich das BRK im Hinblick auf die Angebots- und Hilfsstrukturen den Herausforderungen stellen. Dazu müssen vorhandene und zukünftige Dienste, Einrichtungen und Angebote dem Bedarf entsprechend gestaltet und ausgebaut werden.
Ganz im Sinne seiner Rolle als Anwalt für (benachteiligte) Menschen und auch als Mitgestalter der sozialpolitischen Rahmenbedingungen wird das BRK auch weiterhin seine Energie, seine Erfahrung, seine Kompetenz und sein Engagement dafür einsetzen, dass Kinder, Jugendliche, Familien, Menschen mit Behinderung und Senioren, mit oder ohne Migrationsgeschichte,Hilfe und Unterstützung erhalten. Als Querschnittsaufgaben werden Interkulturelle Öffnung, Migrationsarbeit, Inklusion und die Gesundheitsförderung diese Gebiete unterstützen und ergänzen.
Wir erzielen schon jetzt große Erfolge dabei, Menschen einen besseren Zugang zu unserer Gesellschaft zu geben. Aber ich bin überzeugt, dass wir in der jetzigen Situation mit vereinten Kräften noch mehr für den Zusammenhalt der Gesellschaft tun können.
Brigitte Meyer, BRK-Vizepräsidentin