Friedrich, wie war deine Schulzeit und der Beginn ins Arbeitsleben?
Ja, das ist eine lange Geschichte. Mein Vater war bei der Waffen-SS, an der Front, wir haben in Dachau gewohnt. 1944 bin ich in die erste Klasse in Dachau in die Ludwig-Thoma-Schule gegangen. Und da bin ich aber von meinen Großeltern von Obermenzing immer nach Dachau rausgefahren in der Früh in der Schule und mittags wieder heim. Da mussten wir oft aussteigen, wegen den Bombenangriffen. Die Firma Kraus-Maffei haben sie pausenlos angegriffen, die haben die Lokomotiven gebaut damals. Wir sind dann immer in den Hochbunker und wenn der Angriff vorbei war, sind wir bis zur nächsten Station wieder weitergefahren. Bis Obermenzing. Wenn die Sirene losging, dann hast du aber rennen dürfen, gell?
Dann habe ich beim Askania angefangen in der Boschetsrieder Straße in München, die haben Tonbänder und Diktiergeräte gemacht. Danach war ich bei der Bundeswehr, bei Waffenschule 10 in Oldenburg. Dort habe ich 18 Monate Grundausbildung gemacht und drei Monate Spezialausbildung, da war ich dann in Kaufbeuren. Und dann war ich noch sechs Wochen in Faßberg an der Zonengrenze, in der Lüneburger Heide, Ost-West. Danach bin ich wieder heim und habe nach 1960 beim Dornier angefangen in Oberpfaffenhofen.
Was wurde da produziert?
Da hat man die Flugzeuge zusammengestellt und eingeflogen in Oberpfaffenhofen, darum war ja der Ammersee Tieffluggebiet damals. Wir hatten sechs Testpiloten gehabt, weil die Bundeswehr damals 225 Maschinen bekommen hat. Die waren zuerst alle blank und sind erst später in Tarnfarben gespritzt worden. Ich kann mich erinnern, weil die haben immer so geglänzt in der Luft.
Und Fürstenfeldbruck war ja damals der Stützpunkt von der Luftwaffengruppe Süd. Also da hat es Nord und Süd gegeben, da sind die NATO-Maschinen zwischengelandet zum Auftanken.
Hat sich schon was gerührt in Oberpfaffenhofen, da sind ein Haufen Maschinen eingeflogen worden. Da kann ich dir schon was erzählen. (lacht) Das war eine schöne Zeit, war viel Arbeit.
Nach deiner Zeit beim Bund, wie hast du deinen Weg zum Roten Kreuz gefunden?
Der Ehrenhuber, Sepp, der war bei uns ein Lagerist beim Dornier. Wenn wir neue Teile für die Flieger gebraucht haben, haben wir die bei ihm geholt. Ich kam mit ihm ins Gespräch. Ich war damals schon beim Roten Kreuz in München, und wir hatten dann die Idee, ein Rotes Kreuz in Herrsching zu gründen – mit dabei waren der Ehrenhuber Sepp, der Illek Hans. Die waren beide Krankenpfleger in Gauting und Seefeld, natürlich beide gut ausgebildet. Und da war aber die Hella noch dabei, dem Ehrenhuber seine Frau, und die war Krankenschwester in Seefeld im Krankenhaus.
Das war die Geburtsstunde des Kreisverbands Herrsching?
Ja, so um 1965. Wir hatten am Anfang noch keine Unterkunft. Am Dachinger See stand ein Häuschen von meinem Onkel, das hatte vorher eine Jugendgruppe, aber die hatte das Haus zweckentfremdet und deshalb haben wir das Haus für unser BRK Herrsching bekommen. Wir haben vom Ehrenhuber Sepp alles von der Pike auf gelernt: Wie man einen Druckverband oder eine Abbindung macht.
Wieviele waren damals dabei?
Acht oder zehn. Mehr waren wir nicht. Von denen Alten ist mittlerweile keiner mehr da, die sind alle schon unter der Erde. Wir haben dann das Rotkreuz-Heim ehrenamtlich ausgebaut. Das war ein Haufen Arbeit, nach Feierabend immer. Und die Wasserwacht ist erst später daraus entstanden. Weil der Sepp hat dann gesagt: "Wir sind ja am See daheim. Wir brauchen da eine Wasserwacht."
Wie kamst du zum ersten Mal zum Roten Kreuz?
Ich war beim Jugendrotkreuz dabei. (lacht) Aber am Anfang hatte wir keine Uniformen, sondern eine weiße Armbinde mit dem Roten Kreuz drauf. Und wir haben dann auch in Obermenzing in der Rathausstraße einen Sanitätsraum gekriegt bei einer Familie, die den Raum nicht gebraucht hat. Dort haben wir unser Zeug gelagert.
Was war damals los bei der Wasserwacht?
Wir haben einmal ein Boot selber gebaut, Negativschale, Glasfibermatten und Polyesterharz, das haben wir geholt bei der Uffhausen in Schondorf.
Und das habt ihr alles selber gemacht?
Das haben wir alles selber gemacht, ja. Nach Feierabend.
Habt ihr das irgendwo gelernt, Boote zu bauen?
Am Anfang hatten wir jemanden, Harrer hat der geheißen. Der hat so einen Murks zusammengebaut, dann haben wir gesagt, er soll sich wieder schleichen. Wir haben selber weitergemacht und die Schale hat vier Jahre gehalten. Bloß ist uns dann hinten der Spiegel gerissen, durch die ewige Belastung vom 60er-Johnson-Motor.
Wie war eigentlich der Beginn der Wasserwacht? Waren das dann nur Rotkreuz-Leute?
Das waren nur Rotkreuzler, ja. Wir haben damals im Müllerschen Volksbad als Schwimmlehrer einen Kinderschwimmkurs veranstaltet. Das war eine Nachfrage, das war unwahrscheinlich mit den Kindern. Und dann haben wir mal ein Gaudirennen gemacht draußen, ein Badewannenrennen, bis zur ersten Boje raus und wieder rein. Und da waren so viele Leute da beim Zuschauen, das war direkt eine Freude.
Wie lange warst du bei der Wasserwacht und beim Roten Kreuz?
65 Jahre Rotkreuz. Für den 65er hab ich eine silberne Spange bekommen. Aber ich war nie einer, der so Zeug getragen hat, das Lametta, mit dem habe ich es nicht so gehabt. Es zählt immer der Mensch. Damals in der schweren Zeit [im 2. Weltkrieg, Anm.] waren viele beim Roten Kreuz. Weil einer dem anderen geholfen hat. Es gab keinen Funk, aber Mundpropaganda. Und da hat einer dem anderen geholfen.
Wie war die Ausrüstung am Anfang?
Wir haben uns viel selber gekauft. Das heißt unten am See, da war einmal ein Textilladen, der Voglsamer. Der hatte so dunkelblaue Trainingsanzüge. Beim dunklen Stoff siehst du nicht, wenn irgendwo ein Ölfleck ist. Wir haben zu ihm gesagt: "Du, das wäre das Richtige für uns für die Wasserwacht." Und dann hat uns der die zu einem günstigen Preis gegeben. Heute brauchen sie alle was weiß ich wie viel Ausrüstungen (lacht). So viel haben wir nicht gehabt.
Weswegen seid ihr eigentlich so ausgefahren mit eurem Rettungsboot?
Schwimmer, die nicht mehr konnten. Wenn der Ostwind gegangen ist und der Wellengang stark war, dann hast du zu tun gehabt, damit du reinkommst ans Ufer. Und die hat man dann geholt. Beim Westwind ist das weniger passiert, weil der treibt dich rein.
Wie lange waren eure Dienste?
Am Wochenende haben wir um 10 haben angefangen und um 18 Uhr war meistens Schluss, außer es war noch wer draußen, wegen einer Regatta oder so. Wenn unter der Woche was gewesen wäre, hätten wir zwei in Herrsching telefonisch erreicht, die hätten dann rausfahren können. Wir hatten auch einmal Unterstützung von Rottenfeld oben, von der Strafvollzugsanstalt. Da hat einer Freigang gehabt und der ist gern zur Wasserwacht runter. Und wenn wir uns Mittag eine Pizza gekauft haben, hat natürlich der auch eine gekriegt, ist ja klar. Die sind gerne gekommen (lacht).
Wie kam’s dazu?
Der Eberhard war Justisbeamter und Aufseher und hatte beim Schlamm Fred eine Koje. Die kamen dann ins Gespräch und haben sich gedacht, dann kommen die Häftlinge bisschen auf andere Gedanken. Wir haben sie dann immer abgeholt.
Hat sich im Roten Kreuz oder der Wasserwacht im Laufe der Zeit viel geändert?
Ja, da hat sich viel verändert. Früher haben wir uns die Taucher selber ausgebildet, heute gibt es keine Taucher mehr in Herrsching. Wir haben den zum Training in Badehose am Gemeindesteg runtergelassen und wir haben dann zu zweit Wechselatmung gemacht. Wenn du das beherrscht hast, hast du keine Angst mehr haben brauchen. Das war die Ausbildung.
Und das wird nicht mehr gemacht?
Das wird nicht mehr so gemacht, heute dauert die Tauchausbildung der Wasserwacht fast ein Jahr, glaube ich. Da waren damals Rettungstaucher bis zehn Meter und Bergungstaucher bis 20 Meter. Aber wir waren ja auf 60 Meter auch schon unten. Sechs Bar am Körper, allerdings nicht lang. Eine Minute. Weil du musst die Dekompressionszeit einhalten, wenn du raufgehst. Sonst fängt dir das Zeug zu kribbeln an. Das geht schnell. Weil sich der Stickstoff im Fettgewebe enorm schnell absetzt. Und meistens erwischt es dann die Wirbelsäule, dann kannst du querschnittsgelähmt sein.
Ist es vorgekommen, dass ihr jemanden aus solchen Tiefen bergen musstet?
Das waren meistens Leichenbergungen. Da brauchst du dich nicht mehr beeilen. Der hält sich konstant bei vier Grad plus Wassertemperatur, ob du den heute oder morgen holst, ist dann egal. Wenn dir die Luft nicht mehr langt, holst du besser ein anderes Gerät und holst ihn später.
Mit der Zeit sind ja dann auch mehr Ausrüstungen und Ausbildungen dazugekommen, oder?
Wir haben immer wieder Auffrischungen gemacht und sind nach Starnberg zur Pionierschule. Die haben uns zum Beispiel runtergeschickt auf 20 Meter, dort mussten wir dann zum Beispiel irgendwas zusammenschrauben, mit zwei Bar am Körper haben sie einen schon eine Zeit drunten gelassen. Heute musst du ja jeden Einzelnen mit der Leine führen. Leine geführt haben wir nur unter dem Eis. Weil das Loch findest du sonst nicht mehr, wo du rein bist. Und am Eis, da muss der Leinenführer die Signale hundertprozentig beherrschen.
Was sind das für Leinensignale?
Wenn er einmal zieht, muss er sofort rauf. Zweimal heißt nach rechts. Dreimal ziehen links und bei viermal ziehen ist alles in Ordnung. Und bei fünfmal, da kommt er dann wieder. Das waren die Leinensignale. Die habe ich noch im Kopf.
Was hat dir in den 65 Jahren Wasserwacht am meisten gefallen, warum bist du so lange dabei geblieben?
Mir ging’s hauptsächlich um die Fahne und um den Zusammenhalt. Es ist wichtig, dass ein Alter noch dabei ist, weil wenn jemand was wissen will, kannst du Auskunft geben. Ich bin der Letzte.
Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Die Silbermedaille von der Wasserwacht für besondere Leistungen 1966, das war was Besonderes, die habe ich heute noch. Weil ich da das Motorboot mitgebaut habe und weil wir da improvisieren mussten.
Was hat dir dann am meisten Spaß gemacht an der ganzen Zeit?
Die Kinderkurse. Frei-, Fahrten- oder Leistungsschwimmer. Da waren sie recht stolz mit Frei-, Fahrten- und Leistungsschwimmer, wenn sie sich den an die Badehose hinheften haben lassen. Das ist wirklich schön gewesen. Ich hab mal mit den ganzen Münchner Schulen einen Schulschwimmwettbewerb im Nordbad veranstaltet. Zehn Bahnen, zehn waren zum Aufpassen da. Jeder hat eine Bahn gehabt. In meiner Bahn war eine Kleine, wie ehrgeizig die gekämpft hat, damit sie vorankommt, die 25 Meter (lacht)!