Am 28.04.2020 hat die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) gemeinsam mit der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen gemeinsamen Rahmen der Länder für einen stufenweisen Prozess zur Öffnung der Kindertagesbetreuungsangebote von der Notbetreuung hin zum Regelbetrieb im Kontext der Corona-Pandemie beschlossen.
Wir begrüßen, dass damit eine Perspektive für eine verantwortliche Öffnung der Kindertageseinrichtungen erkennbar wird. Während bislang mit dem Instrument der Notbetreuung maßgeblich die Relevanz der elterlichen Berufe und damit arbeitsmarktpolitische Gründe entscheiden, ob ein Kitabesuch möglich ist, ist es nun unerlässlich, die Bedürfnisse von Kindern und Eltern, aber auch die Anforderungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes verstärkt in den Blick zu nehmen.
Es ist festzustellen, dass die üblichen Vorgaben des Infektionsschutzes wie ein Abstand von 1,5 m oder die Nutzung von Masken in Kindertageseinrichtungen nicht oder nur eingeschränkt umzusetzen sind. Damit entfallen in Kitas wesentliche Maßnahmen des Infektions- und Arbeitsschutzes. Wir begrüßen deshalb, dass Ministerpräsident Söder in der Pressekonferenz vom 28.04.2020 verkündet hat, vor einer weiteren Öffnung die wissenschaftliche Einordnung des Robert-Koch-Instituts abzuwarten, wie hoch das Infektionsrisiko bei Kindern und durch Kinder ist. Die Mitarbeitenden in den Kindertageseinrichtungen benötigen hier dringend eine größere Sicherheit, ihr eigenes Infektionsrisiko einschätzen zu können. Gerade für Mitarbeitende, die mit Menschen zusammenleben, die einer Risikogruppe angehören, ist die derzeitige Situation in vielen Fällen sehr belastend. Und nicht zuletzt müssen Träger einschätzen können, ob eine weitere Öffnung ihrer Einrichtung im Sinne des Arbeitsschutzes verantwortbar ist.
Die Möglichkeiten einer weiteren Öffnung von Kindertageseinrichtungen ist im Wesentlichen begrenzt durch die zur Verfügung stehenden personellen und räumlichen Kapazitäten sowie die verantwortbare Gruppengröße. Schon jetzt bei der ausgeweiteten Notbetreuung zeichnet sich bei einzelnen Einrichtungen ab, dass die räumlichen und/oder personellen Kapazitäten nicht ausreichen. JFMK und BMFSFJ stellen in ihrem Papier fest, dass „unter Würdigung der Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort zu entscheiden [ist], welchen Aspekten bei der schrittweisen Wiederaufnahme Vorrang einzuräumen ist.“ (S. 16) Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, sind Träger rechtzeitig in die Überlegungen bezüglich einer weiteren Öffnung einzubeziehen. Hier ist festzustellen, dass die am 27.04.2020 in Kraft getretenen Regelungen in vielen Fällen aufgrund der kurzfristigen Umsetzung für große Verunsicherung gesorgt haben. Vor einer weiteren Öffnung benötigen Träger und Einrichtungen bei der Ihnen zugeschriebenen Verantwortung die Möglichkeit, ihre Situation zu bewerten und ein Konzept zu entwickeln, wie sie staatliche Vorgaben umsetzen können, sowie dieses Konzept den Eltern zu vermitteln.
Für die derzeitigen Betretungsverbote bietet das Infektionsschutzgesetz die rechtliche Grundlage. Bei einem Eintritt in einen eingeschränkten Regelbetrieb entfällt diese Grundlage. Träger benötigen aber weiterhin eine rechtliche und finanzielle Sicherheit, wenn sie die vertraglichen Pflichten gegenüber Eltern aufgrund des eingeschränkten Betriebes nicht oder nicht in vollem Umfang erfüllen können. Wir sind sehr dankbar, dass der Freistaat Mittel zur Kompensierung der aufgrund der Betretungsverbote ausfallenden Elternbeiträge für die Monate April bis Juni zur Verfügung stellt. Diese Lösung trägt aber nicht für eine Zeit eines eingeschränkten Regelbetriebes. Außerdem müssen Träger davor geschützt werden, dass Eltern die vertraglich zugesicherten Leistungen einklagen.
Es wird erkennbar, dass eine schrittweise Öffnung der Kindertageseinrichtungen eine größere Herausforderung bedeutet, als die Umsetzung der Betretungsverbote. Eine gute Hilfestellung bei den anstehenden Überlegungen sehen wir in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), die wir diesem Schreiben beifügen.
Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege wünschen sich, dass das StMAS zeitnah mit den Trägern und öffentlichen und freien Jugendhilfe in einen Dialog einsteigt, wie die schrittweise Öffnung der Kindertageseinrichtungen gestaltet werden kann.