Bei einem Pressegespräch fordert das Bayerisches Rotes Kreuz eine bessere Vernetzung des Sozialdiensts an Kliniken und der Offenen Behindertenhilfe sowie mehr sozialversicherungspflichte Beschäftigungen für Menschen mit Behinderung.
Auf das Armutsrisiko von Menschen mit Behinderung hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) in einem Pressegespräch aufmerksam gemacht. Im Rahmen der Vorbereitung auf die Bayerische Armutskonferenz im Juni dieses Jahres, setzen die Wohlfahrtsverbände regionale und thematische Schwerpunkte. „Wir wollen hier für Oberbayern den Blick auf die Menschen lenken, die im Zusammenhang mit Armut in unserer Gesellschaft wenig beachtet werden“, sagte die Vizepräsidentin des BRK, Brigitte Mayer. Die Aufmerksamkeit müsse besonders Menschen gelten, die durch eine Erkrankung oder einen Unfall oder wegen psychischer Erkrankungen nicht den Herausforderungen des Alltags gewachsen seien.
Der stellvertretende Landesgeschäftsführer des BRK, Wolfgang Obermair, erläuterte, dass für „plötzlich behinderte“ Menschen eine enge Vernetzung der Sozialdienste der Krankenhäuser mit den Diensten der offenen Behindertenhilfe fehle. „Das Armutsrisiko ist für Menschen, die durch Unfall oder Erkrankung neu in das System der Eingliederungshilfe kommen, deutlich größer, als bei Menschen mit Behinderung, die von Geburt an Unterstützung benötigen.“ Das BRK fordert deshalb für Menschen mit einer neu erworbenen Behinderung für die Übergangszeit, bis das System der Eingliederungshilfe greift, eine klare Regelung zur Versorgung und Begleitung. Auch psychisch kranke Menschen seien stark von einem Armutsrisiko bedroht, führte Obermair aus. „Nach ihrem Behinderungsgrad sind sie zwar noch arbeitsfähig, aber durch ihre phasenweisen krankheitsbedingten Ausfälle sind sie kaum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar.“ Obermair forderte für diese Klienten, ein effizientes Zusammenspiel etwa von Arbeitsagenturen und den Bezirken, damit die Betroffenen nicht dazwischen zerrieben werden. „Die Politik muss hier einen nahtlosen Übergang von Leistungen des Sozialgesetzbuchs(SGB) IX und des SGB II sicherstellen“, so der stellvertretende Landesgeschäftsführer.
Alexander Bassarini, der seit seinem 2. Lebensjahr an Spinaler Muskelatrophie leidet und von der Stiftung Pfennigparade betreut wird, forderte: „Auch Menschen mit Behinderung haben das Bedürfnis mit ihrem Lohn ihren Unterhalt und ihre Freizeitmöglichkeiten selbst zu finanzieren. Eine automatische Abhängigkeit von Sozialhilfeleistungen, wie sie oft besteht, untergräbt auch das Selbstwertgefühl.“ Der 44-jährige Diplom-Ingenieur lebt von Arbeitslosengeld II, weil er als Schwerbehinderter entweder nicht eingestellt wird oder die Gebäude, in denen er tätig werden könnte, nicht barrierefrei sind. Konstanze Riedmüller, Zentralbereichsleitung Beratung bei der Pfennigparade, ergänzte: „Wir fordern mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsmöglichkeiten mit einer gerechten Entlohnung für Menschen mit Behinderung. Auch für Werkstattbeschäftigte setzen wir uns für eine spürbare und nachhaltige Verbesserung der Einkommenssituation ein. Leistungen müssen wie aus einer Hand ausgezahlt und das jetzige System muss deutlich entbürokratisiert werden.“
Das Bayerische Rote Kreuz ist ein großer Träger der Behindertenhilfe in Bayern mit 28 eigenen Einrichtungen und zahlreichen angeschlossenen Einrichtungen. Es unterhält unter anderem stationäre und teilstationäre Wohneinrichtungen, eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung, Ambulant Betreutes Wohnen, Tageszentren für psychisch kranke Menschen und den BRK-Betreuungsverein mit zehn Außenstellen in den BRK-Kreisverbänden.
Ansprechpartnerin: Simone Kern, Teamleiterin Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie, Tel. (089) 9241-1304