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„Es ist unser Beruf zu helfen“ – Ein Gespräch mit Robert Portenkirchner über den Dienst auf dem Rettungshubschrauber

Robert Portenkirchner ist leitender TC-HEMS am Standort Traunstein und fliegt täglich Einsätze auf dem Rettungshubschrauber Christoph 14. Wann der Hubschrauber kommt, wie viel Druck hinter seinem Beruf steckt und warum es mit den Kollegen aus Kempten eine ganz besondere Beziehung gibt.

1.       Seit wann bist du beim BRK? Puh, das ist schon etwas länger her. Seit 2000 bin ich hauptberuflich tätig und habe dabei einige Stationen durchlaufen – KV Traunstein, Rettungsleitstelle Traunstein (damals BRK) und schließlich zum Hubschrauber als TC-HEMS (= Technical Crew - Helicopter Emergency Medical Service). Heute gehören wir 4 TC-HEMS des Christoph 14 zur LGST und das taugt uns ausgesprochen gut. 2.       Wie verlief dein Werdegang vom Boden bis in die Luft? Ich war erst im Rettungsdienst, dann in der Leitstelle und habe mich auf die Ausschreibung für den Dienst auf dem Hubschrauber beworben. Nach der Zusage ging’s aber erst los: Ich musste eine umfangreiche Ausbildung absolvieren, die heute noch mehr beinhaltet. Seit 2005 fliege ich Einsätze und bin außerdem Sprecher der leitenden HEMS für die 12 Zivilhubschrauber-Standorte des Bundes, u.a. in Köln oder Hamburg. 3.       War das auch dein Berufswunsch als Kind, später mal im Heli zu fliegen und zu retten? Nein und von diesem konkreten Wunsch würde ich grundsätzlich abraten. Wie gesagt, heute ist es noch anspruchsvoller. Das ist ein Auswahlverfahren mit mehreren Stufen. Damals wurde ich in mehreren Fächern geprüft, heute macht man erstmal ein Praktikum und dann wird weitergeschaut. Wenn es nichts wird, sollte man es sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Von null genau dort hinzuwollen ist ein zu hoher Anspruch, wer aber die Basis als NotSan hat, kann darauf aufbauen. 4.       Wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Ich mag meinen Beruf sehr, aber die Belastung muss man schon abkönnen. Wir haben ständig Simulatortrainings und müssen diese auch bestehen, wie eine dauerhafte Prüfungsphase. Diesem Druck muss man gewachsen sein. Hinzu kommt, dass jeder unserer Einsätze mit der Blackbox im Heli aufgezeichnet wird – alles, was gesprochen wird, ist auf Band. Aber ein Witz darf auch mal sein. 5.       Worin unterscheidet sich der Dienst auf dem Hubschrauber zum RTW? Kommt der Hubschrauber nur zu „wirklich ernsten“ Fällen? Grundsätzlich kann man das so sagen, denn der Hubschrauber kommt, wenn ein Notarzteinsatz disponiert wird und das ist meistens ein „schlimmer Fall“. Und dann muss der Heli gegenüber dem NEF einen erheblichen Zeitvorteil haben – wenn das alles erfüllt ist, kommen wir. Wir werden aber auch zum Transport nachgefordert. 6.       Die Arbeit mit der Rettungswinde ist unerlässlich – was sind die Herausforderungen und was sind die Vorteile im Einsatz? Ca. 20 Prozent unserer Einsatzgebiete ist das Hochgebirge: Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen, der Watzmann als gefährlichster Berg, viel unwegsames Gelände und im Winter Lawinengefahr – mit der Winde kommen wir an diese schwierigen Stellen hin. Unsere hat 90m und damit die größtmögliche Länge, die angeboten wird. Wir können damit Patienten zum Heli aufwinchen, damit weiterfliegen oder direkt verladen. Für uns ist sie definitiv unersetzlich und das nicht nur auf dem Land. Es ist nicht verboten, sie woanders einzusetzen, bspw. in der Stadt. Wo eine Landung nicht möglich ist, kann man den Notarzt per Winde runterlassen. 7.       Der HHO (Helicopter Hoist Operator) ist oben an der Kufe des Hubschraubers, wer wird dann abgeseilt? Entweder der Notarzt oder eine Person von der Bergwacht, je nach dem wer oder was für den Einsatz erforderlich ist. Wenn wir alarmiert werden, fliegen wir meistens erst zum Bergwacht-Depot. Bei der Rettung aus Bergnot, wenn unverletzte Personen einfach nicht weiterkommen, benötigt man keinen Arzt. 8.       Zum Aufgabengebiet des TC-HEMS gehören neben der medizinischen Versorgung mit dem Notarzt auch die fliegerischen Tätigkeiten – was können wir uns unter letzteren vorstellen? Unter fliegerischer Tätigkeit fällt die Navigation zur Einsatzstelle, Check vor dem Start, z. B. der Triebwerke, oder das Ausschauhalten nach Hindernissen während dem Flug. Kräne von neuen Baustellen zum Beispiel. Es läuft alles immer nach den gleichen Standards ab. Der HHO ist wie der TC-HEMS ein Besatzungsmitglied. 9.       Was passiert, wenn jemand aus eurem kleinen Team aus 4 TC-HEMS ausfällt? Wir sind an viele Regularien gebunden und die geben vor, dass ein Ersatz nur dann einspringen darf, wenn dieser 4mal pro Jahr bei uns in Traunstein im Dienst ist – wir können nicht mal schnell jemanden von einer anderen Station holen. Deshalb sprechen wir uns mit den Kemptner Kollegen ab und unterstützen uns so gegenseitig. 4mal im Jahr sind dann zwei unserer TC-HEMS in Kempten und zwei Kemptener bei uns. So können wir für sie einspringen und umgekehrt. Mit am wichtigsten ist auch die Örtlichkeiten des jeweiligen Gebirges zu kennen.   10.   Ihr arbeitet auf engstem Raum, inwiefern hat Corona deine Arbeit verändert? Wir müssen FFP2-Maske tragen, weil wir im Hubschrauber den Mindestabstand unterschreiten. Sobald wir mit dem Patienten in Kontakt kommen, erhält dieser auch eine Maske. 11.   Das Ausflugsverhalten der Menschen hat sich stark gewandelt in der Pandemie. Alle - auch Amateure - zieht‘s auf die Berge. Wie siehst du das? Kritisch, aber das habe ich schon vor Corona bemerkt. Die Leute haben kein Gefühl mehr für sich selbst und was sie ihrem Körper abverlangen können. Wir holen regelmäßig überforderte Wanderer von Klettersteigen, im Sommer wie im Winter, wenn alles voller Schnee ist. Es ist unser Beruf dann zu helfen, aber ich frage mich „Wie kann das sein?“. Rauszugehen während Corona ja, aber ich sollte keine Tour machen, die ich so oder so nicht schaffe und mich maßlos überschätzen. Weil wenn es brenzlig wird, frisst die Angst 90% der Kraft. 12.   Ihr müsst euch dann teilweise auch in Gefahr begeben, um die Wanderer zu retten. Genau – auch für uns ist das nicht einfach. An der Bergwand können sich immer mal Steine lösen, wenn man sich gerade abseilt. Da ist der Berg unberechenbar. Im Nachgang ist so ein Einsatz übrigens nicht billig. Eine Rettung aus Bergnot kann schon mal 7.000 € kosten, wenn man nicht verletzt war. Dann muss man selbst zahlen, wenn man keine private Unfallversicherung hat. Wenn dann der Anwalt eingeschaltet wird, ist das wirklich dreist – aber es kommt vor, leider.